Auf bereits abgeschlossene Sanierungsfälle kommen neue Herausforderungen zu: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen für zurückliegende Finanzrestrukturierungen gekippt.
Es ist eines der einschneidenden Urteile der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit für Unternehmen in der Krise und Restrukturierungsberater: Der Bundesfinanzhof hat die Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen für bereits abgeschlossene Finanzrestrukturierungen gekippt. Das erste BFH-Urteil im Februar hatte sich erst einmal „nur“ auf laufende Sanierungen bezogen, nicht auf bereits abgeschlossene.
Die aktuelle Entscheidung bezieht sich auf ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) von Ende April. Darin stellte das Ministerium heraus, dass der Sanierungserlass auf alle Fälle, in denen der Forderungsverzicht der an der Sanierung beteiligten Gläubiger bis zum 8. Februar 2017 endgültig vollzogen worden ist (Altfälle), angewendet werden sollte. Dies sei laut BFH nicht mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung vereinbar.
Damit scheint der steuerliche Vorteil für Sanierungsgewinne endgültig vom Tisch – und Unternehmen, die sich in der Vergangenheit damit restrukturiert haben, könnten ein schwerwiegendes Problem bekommen, wenn sie die erlassenen Steuern nachzahlen müssen (vermutlich inklusive Verspätungszuschlag). In der Folge werden zahlreiche Unternehmen wiederum in die Krise rutschen, denn der Steuererlass auf Sanierungsgewinne – in der Regel Forderungsverzichte von Gläubigern zum Zwecke der Betriebsfortführung – ist ein regelmäßiger Bestandteil der finanzwirtschaftlichen Sanierung gewesen. Viele Verfahrensbeteiligte haben den Sanierungserlass fest bei ihren Maßnahmen eingeplant.
Kurzum: Das Urteil könnte einige Unternehmen schnell wieder in Existenznot bringen und eine neue Restrukturierung unter anderen Prämissen nötig machen. Jetzt sind freilich nicht alle Fälle betroffen, sondern die, in denen die Finanzverwaltung noch nicht über die Sanierung durch Erlass eines Steuerbescheids entschieden hat. Aber auch dies bezieht sich auf eine ganze Reihe an Unternehmen, darunter auch größere Gesellschaften.
Was sind jetzt die Konsequenzen für Unternehmen, Verantwortliche und Berater?
Gesellschaften und deren Organe müssen jetzt zügig prüfen, ob das Unternehmen nun überhaupt noch eine positive Fortführungsprognose erhält oder bereits der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorbereitet werden muss. Sonst kann dies schnell im Vorwurf der Insolvenzverschleppung mit allen nachfolgenden Haftungsrisiken enden. Auch auf den Vertrauensschutz nach den Paragrafen 130 und 176 der Abgabenordnung sollten Unternehmen nicht zwingend planen – die EU prüft gerade, ob ob die Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne generell gegen EU-Recht verstößt. Dann sind auch bereits ergangene Bescheide möglicherweise wertlos.
Und Sanierungsberater müssen sich ebenso auf eine neue Welt in der Praxis einrichten. Planen sollten sie mit der Steuerbefreiung auf keinen Fall, viel eher müssen sie neue Strategien und Techniken entwickeln, um Sanierungen weiterhin möglich zu machen. Ein Weg könnte sein, über eine Vermögensübertragung die steuerliche Belastung des Forderungsverzichts für den gesunden, zukunftsfähigen Teil der Gesellschaft zu vermeiden. Durch eine Umwandlung des von der Insolvenz bedrohten Unternehmens können zwei voneinander getrennte Gesellschaften geschaffen werden. Eine davon fungiert als „Bad Bank“, die andere übernimmt die stabilen Vermögenswerte des Unternehmens und besitzt damit eine echte Fortführungsperspektive.
BFH Urteile vom 23. August 2017 I R 52/14 und X R 38/15
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