Die Bundesratsinitiative zur Begünstigung von Sanierungsgewinnen nach dem Wegfall des Sanierungserlasses hängt in Brüssel fest. Praktiker sollten sich auf eine längere Phase der Unsicherheit einstellen. Dadurch steigt auch die Komplexität in Insolvenzplanverfahren.
Es war wohl DAS insolvenzsteuerrechtliche Aufregerthema dieses Jahres. Wir erinnern uns: Mit Beschluss vom 8. Februar hat der Bundesgerichtshof den seit 2003 gültigen Sanierungserlass zur steuerlichen Freistellungen von Sanierungsgewinnen – insbesondere über Forderungsverzichte von Gläubigern – aufgehoben. Das führt seitdem zu durchaus schwerwiegenden Verwerfungen in der Sanierungspraxis, denn vor allem ein auf wirtschaftlichen Ausgleich und Betriebsfortführung bedachtes Instrument wie der Insolvenzplan ist seitdem de facto nicht mehr einsetzbar.
Eine Sanierung mithilfe eines Forderungsverzichts ist nicht mehr möglich, da der fiktive Buchgewinn unmittelbar zu einer erheblichen Steuerforderungen und damit dem Abfluss (nicht vorhandener) Liquidität führen kann; die leistungswirtschaftliche Sanierung, die immer finanzielle Mittel erfordert, ist dann, wenn überhaupt nur noch sehr eingeschränkt möglich. Und welcher Gläubiger wird dann schon auf seine Forderungen verzichten, wenn eine Fortführung ohnehin unmöglich gemacht wird? Auch die Anwerbung von Investoren ist dann ein Problem: Kaum eine Gesellschaft wird sich dazu bereit erklären, in einen M&A-Prozess einzusteigen, wenn der Kauferlös für die Begleichung von Steuerschulden aufgebracht werden muss…
Daran ändert bislang auch die Bundesratsinitiative nichts, Sanierungsgewinne weiterhin unbesteuert zu lassen, indem § 3 EStG geändert wird. Denn der Ball liegt jetzt in Brüssel, und dort ruht seit Frühling still der See. Und so lange die EU sich nicht positiv zu der Initiative des Gesetzgebers geäußert hat, so lange gilt das BGH-Urteil, das den Wegfall des Sanierungserlasses vorsieht. Das Bundesfinanzministerium hat hierzu zwar Übergangsfristen gewährt, um so den Unternehmen Zeit zu geben bis zur Entscheidung in Brüssel. Im Kern ist das Problem die Frage, ob die Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne EU-Beihilferecht berührt. Ist das der Fall, steuern wir in der Sanierung auf komplexe, weitreichende Verhandlungen hin, die so gut wie sicher auf eine Änderung des Gesetzesentwurfs hinauslaufen werden. Die vorliegende Fassung ist auf diese Fragestellung nicht vorbereitet.
Insofern besteht weiterhin eine erhebliche Unsicherheit für die Insolvenz- und Sanierungspraxis. Gerade größere Insolvenzplanverfahren sind von dieser Unsicherheit betroffen. Sie können praktisch seit dem Urteil nicht weitergeführt werden, sodass die Sanierung in diesen Fällen regelmäßig gefährdet ist. Das gelungene Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung des Handelsunternehmens SinnLeffers trotz des Wegfalls ist eine rühmliche Ausnahme in diesem Jahr.
Welche Möglichkeiten bestehen also, Sanierungen trotz allen Unwägbarkeiten durchzuführen? Zum einen lassen sich gewisse gesellschafts- und umwandlungsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten dafür finden, die steuerliche Problematik zu lösen (vgl. https://www.insolvenzblog.de/umwandlung-sanierungserlass-insolvenzplanverfahren/2017/03/10/). Zum anderen mag es durchaus möglich sein, Verzichte der Finanzverwaltung auf Steuern auf Sanierungsgewinne auf dem Wege einer Billigkeitsentscheidung zu beantragen. Dies ist jeweils eine Einzelfallentscheidung und steht im Ermessen der Verwaltung. Aber in gewissen Fällen kann dies zur Lösung führen.
Klar ist in jedem Fall, dass Insolvenzplanverfahren durch den Wegfall des Sanierungserlasses noch komplexer geworden sind und sich noch weniger als zuvor ohne fundierte und insolvenzbezogene gesellschafts- und steuerrechtliche Beratung durchführen lassen. Die Anforderungen sind massiv gestiegen, und Sanierer sollten sich auf diese „neue Welt“ zwingend vorbereiten. Denn auf eine schnelle Lösung und Rückabwicklung des BGH-Urteils sollte niemand leichtfertig setzen.
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