Auf Insolvenzverwalter kommt eine neue zivilrechtliche Komponente im eröffneten Verfahren zu. Nicht wirksame Kündigungen können Neumasseverbindlichkeiten begründen.
Das deutsche Insolvenzrecht kennt den Begriff der Masseunzulänglichkeit. Damit wird geregelt, dass ein Insolvenzverfahren eingestellt wird, wenn der Umfang der Masse nicht ausreicht, die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) sowie die sonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) zu decken.
Jetzt hat das Bundesarbeitsgericht ein für die Insolvenzpraxis durchaus einschneidendes Urteil gefällt. Hat der Insolvenzverwalter im Regelverfahren die Unzulänglichkeit der Masse festgestellt und angezeigt, ist eine erneute Kündigung von Arbeitsverhältnissen notwendig, um die Entstehung eines Anspruchs auf Annahmeverzugslohn als Neumasseverbindlichkeit zu verhindern (BAG, Urteil vom 22.02.2018, Az: 6 AZR 868/16; Vorinstanz: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7.07.2016, Az: 6 Sa 23/16). Der Hintergrund: In § 615 Satz 1 BGB ist für den Fall des Annahmeverzugs des Arbeitgebers geregelt, dass der Arbeitnehmer für die infolge des Verzugs nicht geleistete Arbeit die vereinbarte Vergütung verlangen kann, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein.
Im vorliegenden Fall urteilte das BAG zugunsten der gekündigten Arbeitnehmerin. Das Gericht entschied, dass ihr eine Annahmeverzugsvergütung trotz zuvor erfolgter Freistellung und streitiger Kündigung als Neumasseforderung zustehe, da der Insolvenzverwalter die Kündigung bis zu einem gewissen Zeitpunkt erfolgt sein müsse. Das sei laut Gericht in Paragraf 202 Abs. 2 Nr. 2 InsO geregelt: „Als Masseverbindlichkeiten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 gelten auch die Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte.“
Das bedeutet in den konkreten Fall: Der Insolvenzverwalter hatte die Klägerin nach Eröffnung des Verfahrens gekündigt und freigestellt. Daraufhin klagte die Mitarbeiterin auf gegen die Kündigung und auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für den Zeitraum zwischen dem frühestmöglichen Kündigungstermin und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das BAG stellt deutlich heraus, dass es sich beim geltend gemachten Annahmeverzugslohn für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem ihr der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte, um eine Neumasseverbindlichkeit handelt – bedingt durch die unwirksame Kündigung durch den Insolvenzverwalter.
Für die Praxis heißt das, dass sich das insolvenzarbeitsrechtliche Umfeld für Verwalter verschärft hat. Zwar begründe das Urteil keine generelle Pflicht des Insolvenzverwalters zu einer vorsorglichen Neukündigung nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit. Aber, so das BAG, der Insolvenzverwalter trage das Risiko, dass sich diese Kündigung als unwirksam erweise und folglich Neumasseverbindlichkeiten begründet sein könnten. Gleiches gelte, wenn der Insolvenzverwalter erstmals nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündige und diese Kündigung unwirksam sei.
Der Frage nach der rechtssicheren Kündigung im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens kommt damit eine gestiegene Bedeutung zu, sollen mögliche aufgrund von Ansprüchen auf Arbeitslohn Neumasseverbindlichkeiten ausgeschlossen werden. Verfahren erhalten damit eine weitere zivilrechtliche Komponente, die durch das Urteil des obersten Arbeitsgerichtes forciert werden könnte.
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