Die Landschaft der Insolvenzverwaltung in Deutschland ist im Umbruch. Ein eigenes Berufsrecht steht genauso zur Debatte wie eine neutrale staatliche Stelle, die den Zugang zum Insolvenzverwalterberuf überwacht und reguliert. Das führt zu vielen Fragestellungen für Insolvenzverwalterkanzleien.
Wechsel von Partnern, Auflösungen und Zusammenschlüsse auch renommierter Kanzleien, rückläufige Zahlen massestarker Verfahren, europäische Sanierungsverfahren, Evaluation des ESUG, neue Haftungsproblematiken in der Eigenverwaltung, lauter werdende Kritik an diesen Verfahrensform und, und, und: Die Liste der Themen, die Insolvenzverwalter aktuell bewegen, ließe sich wohl gefühlt endlos verlängern. Dies alles führt dazu, dass Insolvenzpraktiker sich neu justieren, über Strukturen, Strategien und Prozesse nachdenken und Wege suchen, wie sie eine komplexe Zukunft für sich und ihre Kanzlei gestalten können – ganz von der Frage abgesehen, wie sie sich als Amtsträger im Insolvenzverfahren und als Organe der Rechtspflege positionieren.
Die aktuellen Entwicklungen beispielsweise hinsichtlich der weiteren gesetzgeberischen Versuche, wirtschaftliche Krisen weit im Vorfeld zu lösen, der Rolle der Eigenverwaltung oder auch der optimalen Verfahrensführung sind in der Szene weidlich diskutiert worden und haben ein breiteres Publikum gefunden. Doch die Kernfrage geht weit über diese eher operativ-handwerklichen Ansätze hinaus. Vielmehr steht ganz allgemein im Fokus: Quo vadis, Insolvenzverwaltung? Wohin entwickelt sich die Branche, wie sieht die Zukunft des Berufsstands aus, welchen Weg können Kanzleien einschlagen, um erfolgreich zu bleiben, welche Aufgaben stehen vor Insolvenzverwaltern, die in den meisten Fällen immer auch Partner und damit Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kanzlei sind?
Darüber ist zu reden – im besten Falle auch in einer größeren und längeren Debatte. Denn die deutsche Insolvenzverwaltung hat eine sehr hohe Existenzberechtigung, Insolvenzverwalter sind relevante Akteure der Wirtschaft, die Kanzleien „Pools“ ausgewiesener Spezialisten für die Sanierung und die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen in leistungs- und finanzwirtschaftlichen Schwierigkeiten und den Erhalt von Arbeitsplätzen. Daher kommt der zukunftssicheren Strukturierung der Einheiten eine besondere Rolle zu, um den Aufspaltungs- und Konsolidierungstendenzen entgegenzutreten und dem Berufsstand den Weg in die Zukunft zu ebnen.
Der wichtigste Gedanke eben: quo vadis, Berufsstand – welchen Weg nimmt der Beruf des Insolvenzverwalters? Sowohl der Bundesarbeitskreis Insolvenzgerichte (BAKinso e.V.) und die Neue Insolvenzverwaltervereinigung Deutschlands e.V. (NIVD e.V.) als auch der Verband Insolvenzverwalter Deutschlands e.V. (VID) haben sich zur Lage der Nation geäußert. Der VID fordert auf Basis der Eigenverpflichtung des Verbandes – den Berufsgrundsätzen und den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Insolvenzverwaltung (GOI) – den Gesetzgeber auf, eine Berufsordnung für Insolvenzverwalter zu schaffen. Dazu findet Ende September ein Symposium statt. Daran werden namhafte Vertreter aus Wissenschaft und Justiz sowie Gläubigervertreter und Insolvenzverwalter teilnehmen, um gesetzliche Regelungen der Berufszulassung, Berufsausübung und Berufsaufsicht einer künftigen Berufsordnung zu diskutieren.
Eine Tagung zur Zukunft des Insolvenzverwalterberufes führen auch der BAKinso und der NIVD Mitte Oktober durch. Die Vereinigungen wollen künftig den Zugang zum Insolvenzverwalterberuf durch eine neutrale staatliche Stelle überwachen und regulieren lassen: „Es ist im Sinne aller Verfahrensbeteiligten, wenn Insolvenzverwalter ihre Fertigkeiten und ihre Qualitäten, inkl. der Aufstellung und Ausstattung ihrer Büros künftig bundesweit transparent und überprüft (!) darstellen müssen. Zu solchen Qualitätskriterien gehören auch nachweisbare Verfahrenskennzahlen zu erzielten Quoten und durchschnittlichen Kostenstrukturen in bisher abgewickelten Verfahren – nach unterschiedlichen Größenklassen zwecks Vergleichbarkeit“, heißt es.
Das sind wichtige Gedanken und weisen in die richtige Richtung. Durch eine Standardisierung und Regelung von verpflichtenden Anforderungen kann die Qualität in der Verfahrensbearbeitung substanziell erhöht werden, um die Insolvenzverwaltung dauerhaft auf ein neues Niveau zu heben. Dies sichert sich die Expertise und Akzeptanz des ganzen Berufsstands, macht unsaubere Verfahrensabläufe seltener und reduziert die Fehleranfälligkeit.
Zugleich müssen sich die Beteiligten aber auch fragen, wie sie diesen ‚Idealzustand‘ in ihren Einheiten erreichen können – auch vor dem Hintergrund eines sich generell verändernden Marktes und den gesamtwirtschaftlichen Herausforderungen, die auch die Insolvenzkanzleien treffen (vor allem in Form von sinkenden Verfahrenszahlen gehobener Komplexität). Eine neue Struktur, die mit Einschnitten verbunden ist, lässt sich nicht von oben herab verordnen, und erst recht kann dies nicht als Selbstläufer angesehen werden – warum sollten gewachsene Kanzleien ihre über die Jahre erprobten Abläufe verändern?
Eine individuelle und objektive Bestandsaufnahme ist daher bei den Kanzleien, die sich selbst eine Zukunft in der Insolvenzverwaltung eröffnen wollen, dringend nötig. Im Kern geht es insbesondere darum, weitere Aufspaltungsszenarien zu vermeiden und damit die Kanzleien als rechtlich und wirtschaftlich eigenständige Einheiten zu erhalten. Dafür können komplexe Restrukturierungen nötig sein, in deren Folge beispielsweise Geschäftsmodelle und Strategien angepasst, neue Qualitätsmanagementsysteme eingeführt und interne Verhältnisse neu geregelt werden. Damit stärken Insolvenzverwalter ihre Substanz, stellen ihre Kompetenz und Stellung als Organe der Rechtspflege heraus und bewahren aufgebaute Kanzleiwerte über die kommenden Jahre hinaus.
Die Diskussion über die Zukunft der Kanzleien, über neues Berufsrecht und einer möglicherweise gewollten Abkehr vom traditionellen Regelinsolvenzverfahren sollte Anlass für Insolvenzpraktiker dazu sein, die eigene Ausrichtung zu überdenken und den Mut zu haben, gemeinsam mit einem externen Berater notwendige Schritte anzupacken.
Unternehmenssanierung bedarf neben der juristischen Begleitung aus insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten insbesondere einer betriebswirtschaftlichen Neuausrichtung des insolventen Unternehmens.
Daher ist es unumgänglich hier Experten hinzuzuziehen, die diesen Prozess extern begleiten.
Traditionelle Restrukturierungsprozesse geben keine Antworten auf wesentliche Herausforderungen in Krisensituationen von Unternehmen.Die wirtschaftlich Handelnden stehen unter hohem Veränderungsdruck.
Deshalb gilt es folgendes zu vermeiden:
1. Restrukturierung darf sich nicht auf Kostenreduktionsmaßnahmen beschränken
2. Prozessverbesserungen in Produktion und Administration reichen nicht aus, um eine
nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit zu erlangen
3. Eine klassische Produktportfoliobereinigung und –Portfolioergänzung ist in Zeiten
disruptiver Veränderungen oftmals nur2 kurz- bis mittelfristig erfolgreich
Daher gilt die Integration eines radikalen Innovationsprozesses auch bzw. gerade in Restrukturierungs- und Turnaround-Situationen.
Peter Witt
witt +co.nsulting