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Einheitliches Sanierungsverfahren: Entwicklungen weiter beobachten

Die EU-Kommission plant ein unionsweites vorinsolvenzrechtliches Sanierungsverfahren. Konkrete Maßnahmen sind noch nicht bekannt, es scheint aber auf ein grundsätzlich finanzwirtschaftliches Restrukturierungsverfahren für große Unternehmen außerhalb der Insolvenzordnung herauszulaufen.

Schon seit langem sind die Pläne der EU-Kommission bekannt, das europäische Insolvenzrecht zu harmonisieren. Einer der Kernpunkte der Harmonisierung ist der Ansatz, in der gesamten Europäischen Union ein einheitliches, gesetzlich geregeltes vorinsolvenzrechtliches Sanierungsverfahren zu schaffen. Damit verfolgt der EU-Gesetzgeber mehrere Ziele. Zum einen soll der EU-Binnen- und Kapitalmarkt gestärkt werden, indem rechtliche Rahmenbedingungen mehr Planungssicherheit bei grenzüberschreitenden Geschäften gewährleisten; zum anderen soll der Insolvenztourismus unterbunden werden – internationale Gesellschaften suchen oft den Weg in einen anderen „Restrukturierungshafen“ wie England, um dort die Vorteile des Scheme of Arrangement zu nutzen; und zum dritten soll die Notwendigkeit eines (öffentlichen) Insolvenzverfahrens in geeigneten Fällen vermieden werden. All dies zielt auf Unternehmen mit einer echten Erhaltungsperspektive ab und soll nicht dazu dienen, Kröten auf dem Markt zu halten.

Noch ist nicht klar, ob die EU-Kommission eine Richtlinie mit Rahmendaten zur bindenden legislativen Umsetzung in den Mitgliedsstaaten oder eine Verordnung erlassen wird. Aber es scheint sich herauszukristallisieren, dass es in jedem Fall nicht bei einer reinen Empfehlung als „Inspirationsquelle“ bleiben wird. Dafür sind die bislang dargelegten Hintergründe bereits zu konkret, und auch die Ankündigung der Kommission, dem Parlament im vierten Quartal dieses Jahres einen Legislativentwurf über Unternehmensinsolvenzen vorzuschlagen, der Bestimmungen zur frühzeitigen Restrukturierungen enthalten soll.

Doch was können diese Pläne für die vorinsolvenzrechtliche Sanierung in Deutschland nun bedeuten? Konkret lässt sich noch nichts dazu sagen, da es eben noch keine definierten Maßnahmen gibt. Aber aus der Diskussion lässt sich beispielsweise ableiten, dass sich ein Unternehmen im Stadium der drohenden Insolvenz unter den Schutzmantel des Sanierungsverfahrens stellen kann, und zwar bestätigt vom als „Sanierungsgericht“ agierenden Insolvenzgericht. Ziel des Verfahrens ist die Aufstellung eines Sanierungsplans (per Mehrheitsentscheidung der nach Klassen aufgeteilten Gläubiger), dessen primäres Ziel tatsächlich die umfassende Unternehmenssanierung ist, nicht die bestmögliche Gläubigerbefriedigung, wie sie ja auch das ESUG in den Mittelpunkt stellt. Gleichzeitig ist aber vorgesehen, dass (widersprechende) Gläubiger nicht schlechter stehen dürfen als bei einer Liquidation oder übertragenden Sanierung. Fraglich ist in diesem Zusammenhang auch, ob und inwieweit sowohl das zuständige Gericht als auch eine überwachende Person in ein vorinsolvenzrechtliches Verfahren einbezogen werden.

In der Diskussion steht auch, an welche Gläubiger sich das geplante vorinsolvenzrechtliche Sanierungsverfahren der EU richtet. Der Gravenbrucher Kreis formulierte Ende Mai, Ziel des Verfahrens sei die Restrukturierung der Passivseite, und deshalb betreffe es nur die Geldkreditgläubiger und greife nicht in Arbeitnehmerrechte ein. Sollte es dazu kommen, stellt sich die Frage, ob kleine und mittlere Unternehmen von dem Verfahren profitieren werden. Oder ob es sich eher an große Unternehmen mit einer komplexen Finanz- beziehungsweise Finanzierungsstruktur richtet, die mit Hilfe des EU-weiten Verfahrens genau diese Strukturen zu entflechten versuchen werden. Dann würde die vorinsolvenzrechtliche Sanierung auf eine mehr oder weniger exklusive finanzwirtschaftliche Restrukturierung hinauslaufen.

Wichtig für Unternehmen, Sanierungsberater und Insolvenzpraktiker ist es, die weiteren Entwicklungen kontinuierlich zu verfolgen und sich frühzeitig auf die neuen Rahmenbedingungen einzustellen. Denn dass das vorinsolvenzrechtliche Sanierungsverfahren der EU kommen wird, daran besteht kein Zweifel – zumal Deutschland neben Tschechien das einzige EU-Mitglied ist, das bislang nicht über ein solches Instrument verfügt.

Bild: courtesy of imagerymajestic at FreeDigitalPhotos.net

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