Das Forum 270 – Qualität und Verantwortung in der Eigenverwaltung e.V. hat seinen Standard für eine ordnungsgemäße Eigenverwaltung vorgelegt. Darin sind erstmals in Deutschland Grundsätze definiert, die wesentliche Anforderungen an eine ordnungsgemäße Durchführung von Eigenverwaltungsverfahren enthalten.
Gegenstand des Standards, in dem die langjährigen praktischen Erfahrungen aller Mitglieder aus der Restrukturierungsberatung sowie Insolvenzverwaltung eingeflossen sind, sind Regelungen für die Voraussetzungen, die Organisation, den Ablauf und die Kosten von Eigenverwaltungsverfahren sowie die Kriterien für die Person des Eigenverwalters und die Person des Sachwalters. Bei der Entwicklung des Standards wurden auch die Erkenntnisse aus einer Expertendiskussion mit Vertretern von BDU, DAV, NIVD, TMA und VID, der Insolvenzgerichtsbarkeit, der Wissenschaft, der Gewerkschaften sowie gläubigerseitig aus der Finanzierung, den Kreditversicherern und der Bundesagentur für Arbeit berücksichtigt.
Der Standard des Forum 270 beschreibt Voraussetzungen für sinnvolle Eigenverwaltungsverfahren. Grundsätzlich geht der Standard davon aus, dass die Anordnung der Eigenverwaltung der gesetzliche Regelfall ist. Nach § 270 Abs. 2 InsO ist die Eigenverwaltung auf Antrag des Schuldners anzuordnen, es sei denn, Umstände sind bekannt, wonach die Anordnung Nachteile für die Gläubiger bedeuten würden. Diesen Grundsatz schränkt der Standard dahin gehend ein, dass die Unternehmen strukturell geeignet sein müssen, neben der Fortführung des Geschäfts im (vorläufigen) Insolvenzverfahren trotz der damit verbundenen Belastungen auch die Verwaltung der eigenen Insolvenzmasse ohne einen Insolvenzverwalter zu übernehmen.
Geeignete Anwendungsfälle für eine Eigenverwaltung sind regelmäßig dann gegeben, wenn laufende Geschäftsbetriebe unter dem Insolvenzregime fortgeführt und restrukturiert werden sollen. Konkrete Unternehmensgrößen nennt der Standard nicht. Allerdings benennt er Negativkriterien. Danach ist regelmäßig bei Vorliegen von laufenden strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Schuldner oder die Organe eine Eigenverwaltung ausgeschlossen. Entsprechendes gilt für Verfahren vor den Ordnungsbehörden, soweit branchenspezifische Pflichten verletzt sein können.
Betriebsfortführung und Sanierung setzen eine intakte Organisation des Unternehmens, insbesondere des Rechnungswesens voraus. Die Buchhaltung muss auf aktuellem Stand sein. Auch die wesentlichen Organisationseinheiten (z.B. Einkauf, Produktion und Vertrieb) müssen für die Fortführung und Sanierung funktionstüchtig sein, um das mit Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung gesetzte positive Fortführungssignal auch umsetzen zu können.
Der Standard beschreibt ferner einen idealtypischen Ablauf eines Eigenverwaltungsverfahrens. Hier lassen sich eine Reihe von praktischen Erfordernissen ablesen, die die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Verlaufs der Eigenverwaltung signifikant erhöhen. In erster Linie umfasst dies eine ausreichende Vorbereitung des Verfahrens, einschließlich einer frühzeitigen Abstimmung mit den wesentlichen Verfahrensbeteiligten, einschließlich des Insolvenzgerichts und der wesentlichen Gläubiger. Auch die Frage der Besetzung des (vorläufigen) Gläubigerausschusses sollten im Vorfeld geklärt werden.
Zu den handwerklichen Sorgfaltsplichten gehört die Erstellung einer verfahrensspezifischen Liquiditäts- und Ergebnisplanung, die Vorbereitung für die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes, Mitarbeiterinformation, externe Kommunikation etc. Dieses dient insgesamt dazu, einen reibungslosen Start ins Verfahren zu ermöglichen.
Der Eigenverwalter soll grundsätzlich mit Alleinvertretungsbefugnis in das Geschäftsführungsorgan berufen werden oder, in Ausnahmefällen, zumindest eine Generalvollmacht haben. Dabei ist der Eigenverwalter dem Primat der Gläubigerinteressen (§ 1 InsO) verpflichtet. Er vertritt die Schuldnerin, richtet aber sein Handeln an den Interessen der Gläubiger aus. Dabei gilt für ihn der Grundsatz der Höchstpersönlichkeit, wonach er grundlegende sanierungsrelevante Entscheidungen, die Termine bei Insolvenzgericht, die Gläubigerausschusssitzungen und die Informationserteilung in der ersten Betriebsversammlung in Person ausübt. Ferner obliegt ihm die interne und externe Verfahrensleitung.
Zur Sicherstellung der bestmöglichen Sanierung soll ein „Dual-track-Verfahren“ aufgesetzt werden, also die Suche nach einem passenden Investor für das Unternehmen durch einen erfahrenen Transaktionsberater durchgeführt werden. In Ausnahmefällen kann darauf, in Abstimmung mit dem vorläufigen Gläubigerausschuss, verzichtet werden. Die erforderliche Vergleichsrechnung kann durch eine Unternehmensbewertung oder durch die Erstellung einer Fairness-Opinion nach IDW S8 validiert werden.
Auch zu den Kosten der Eigenverwaltung nimmt der Standard umfangreich Stellung. Danach soll über die im Verfahren erwarteten Kosten frühzeitig Transparenz gegenüber dem Sachwalter und dem Gläubigerausschuss hergestellt werden. Dazu sind die Inhalte der geschlossenen Vergütungsvereinbarungen offen zu legen und ein Vergleich zu den Kosten eines Insolvenzverfahrens in Fremdverwaltung zu erstellen. Nach dem Standard können verschiedene Formen der Vergütung vereinbart werden. Grundsätzlich soll dies in Anlehnung an die Regelungen der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung (InsVV) erfolgen. In Ausnahmefällen können auch Pauschalvereinbarungen oder stundenbezogene Vereinbarungen geschlossen werden. Diese sind in jedem Fall mit dem vorläufigen Gläubigerausschuss auf der ersten Sitzung zu besprechen.
Insgesamt stellt der Standard damit Grundsätze auf, bei deren Beachtung durch die im Verfahren tätigen Verantwortlichen ein bestmögliches Verfahrensergebnis erreicht werden kann. Die Mitglieder des Forums 270 verpflichten sich freiwillig durch die Mitgliedschaft im Verein an die Einhaltung dieser Grundsätze.
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